Lokkat Icon
75er-Bingo

Weserbeatz-Logo

Schönes Wetter, gute Musik, günstiges Bier

Zum dritten Mal in Folge fand dieses Jahr am 8. Juni das Weserbeatz-Festival in Nienburg statt. Der Besuch des eintägigen Festivals war wie gehabt kostenfrei. Insgesamt würde ich sagen, das Festival hätte besser besucht sein können, wenngleich die Festwiese als gewählte Location doch schon sehr weitläufig ist. Bühne, Equipment, Fress- und Trinkbuden machten einen guten Eindruck und auch die Security war freundlich. Am Nachmittag bekam ich noch ein bisschen von dem Familienprogramm, sowie einigen Gewerkschafts-, Vereins- bzw. Aktionsbündnisständen mit: alles in allem vernünftig.

Prima Bands für lau!

Für mich war es dieses Jahr der erste Besuch des Weserbeatz und wenn ich darüber nachdenke wahrscheinlich überhaupt eines Festivals, das sich hauptsächlich als "Gegen Rechts"-Event darstellt und das Thema Antifaschismus in den Mittelpunkt stellt. Ich hatte zuvor weder über Plakate noch über irgendeine andere Form von Marketing von dem Festival erfahren, was mich im Nachhinein nicht wundert, da für solche Dinge ja schließlich zusätzliches Budget benötigt wird und dieses anscheinend schon in die wichtigen Dinge wie Bühne, Ausstattung und Programm geflossen ist. In den nachfolgenden Tagen sind mir allerdings doch noch hier und da am Straßenrand ein paar Plakate aufgefallen.

Nein, ich hatte das Glück durch die gute alte Mundpropaganda vom Weserbeatz zu erfahren und ich muss sagen: welch ein glücklicher Umstand! Ich wusste somit auch nicht wirklich, welche Bands mich erwarteten.

Um ehrlich zu sein, hatte ich angesichts des Mottos damit gerechnet, eine Punkband nach der anderen zu hören- was im Grunde auch nicht schlecht gewesen wäre. Zu meiner freudigen Überraschung erwartete mich allerdings eine breite Vielfalt von Musikrichtungen! Ich fasse die Bands/Künstler einmal kurz zusammen, die ich mitbekommen habe:

Thore Wittenberg

Zu Thore Wittenberg kam ich leider etwas zu spät. Ich muss allerdings sagen, dass mir gefallen hat, was ich noch von ihm gehört habe. Es ist ein interessantes Konzept, sich allein mit seiner Akustikgitarre auf die Bühne zu stellen und zu klingen wie ein "Singer-Songwriter", der eigentlich lieber Punkrocker wäre. Erfrischend anders!

La Partyzipation

Ich bin Deutschrap ja alles andere als abgeneigt, aber La Partyzipation konnte mich nicht wirklich abholen. Ebenfalls als Einzelkünstler auf der Bühne (dafür natürlich schonmal Hut ab!) und vor einem dünnen Nachmittagspublikum in der mittelweserlichen Provinz, ist das natürlich nicht gerade der dankbarste aller Gigs, aber La Partyzipation konnte mich einfach nicht packen. Ich habe seinen Auftritt dann als Gelegenheit dafür genutzt, den Picknickgrill anzuschmeißen.

Magical Creatures

Das Duo Magical Creatures war mein persönliches Highlight des Festivals. Bestehend aus einem Keyboard-/Synthesizer-Spieler und einer Sängerin schafften sie es, die sonnenlichtgeflutete Festwiese für eine Dreiviertelstunde in einen magischen Sommernachmittagstraum zu verwandeln. Manchmal braucht es einfach nicht mehr als eine schöne Gesangsstimme und eine paar knackige Retroklänge. Weil sie mir so gut gefielen, bekommen die beiden sogar zwei Videos verlinkt:

Forkupines

Die Forkupines sind sind eine Band aus Braunschweig, bei der ich schwören könnte, dass ich ihren Bassisten schon irgendwo einmal gesehen habe...

Aber das nur nebenbei- die Jungs haben ein mehr als brauchbares Set hingelegt, ihre Musik hat gefetzt und ich würde sie mir definitiv gerne wieder live anhören.

"Forkupines"... "Forkupines"... wären das nicht... "Gabelschweine"..?!

ZSK - die Headliner

Ah- na wenn's keine richtige Punkband gegeben hätte, dann wäre ich ja irgendwie auch enttäuscht gewesen. Musikalisch fand ich die Jungs ganz hervorragend, das Publikum war zu ihrem Auftritt auch schon deutlich umfangreicher geworden und vor der Bühne war auch tatsächlich gut was los. Zusätzlich haben sie auch ein bisschen Publikumsbeteiligung mit in dem Mix geworfen, was einem guten Auftritt nie schaden kann. Ulkigerweise waren es tatsächlich einige ihrer Texte, die mich ein bisschen ins Grübeln gebracht haben und schlussendlich das Zünglein an der Waage waren, diesen Artikel dann doch zu schreiben. Ich komme später noch dazu. Hier ist erstmal eines ihrer inhaltlich harmloseren, aber dennoch sehr hörenswerten Lieder:

★JINX★

Ach JINX, ich kann schon gar nicht mehr sagen, wie oft ich euch live gesehen habe. Ich habe es mir so gut wie nie vorgenommen, aber dadurch dass ihr anscheinend gern in Nienburg auftretet, vor allem beim Altstadtfest auf der Burn-Out-Bühne, bin ich schon oft ungeplant in den Genuss gekommen, mir eure Songs anzuhören und eure energiegeladenen Bühnenauftritte ansehen zu dürfen. Und ganz ehrlich: mir hat's immer gefallen! Dieses Mal war ich leider schon ein bisschen platt, aber hey- ich hab gesehen, dass bei euch vor der Bühne immer noch genug los war. Ich hoffe, ich seh' euch bald wieder- in Nienburg seid ihr (und das anscheinend nicht nur von mir) stets willkommen!

Fazit zum Weserbeatz-Festival

Mir hat es verdammt gut gefallen und ich werde mir das Weserbeatz für nächstes Jahr schon einmal vormerken. Die Message und Aufmachung haben mir gut gefallen; ebenso die Möglichkeit sich für 1,50€ kaltes Astra an der Pommesbude zu kaufen. Für alle, die ich interessieren konnte: die Weserbeatz-Homepage der Rockini-Nienburg.

"Der Hauptgang"

Alerta, alerta

oder: warum ich mich -mittlerweile schon fast einen Monat nach dem Festival- tatsächlich nochmal vor den Laptop setze, um einen Text über meinen Tag auf dem Weserbeatz und die Gedanken, die mir seitdem im Kopf kreisen, zu schreiben.

Alerta, Alerta

Na gut. Dass in der Kleinstadt Nienburg keine Menschenmassen zu mobilisieren sind, wenn man sich hauptsächlich als "Gegen Rechts"-Festival verkauft und vielleicht zusätzlich das Marketingbudget nicht so fett sein mag, verwundert mich jetzt gar nicht mal sonderlich. Weniger weil ich glaube, dass Nienburg ein verkapptes Rechtennest ist, sondern weil ich glaube, dass die Leute grundsätzlich

  • faul,
  • politisch unmotiviert und
  • leicht einzuschüchtern

sind. Es liegt nicht daran, dass eure Bands kacke sind- ganz im Gegenteil! Ich denke es liegt unter anderem daran, dass die deutsche Antifa einfach überhaupt keinen Bezug zum Durschnittsdeutschen hat.

Hamburg, wir sind tausende

Hamburg, könnt ihr uns hören?

Hamburg, könnt ihr uns sehen?

Hamburg, wir sind tausende

Es ist Zeit durchzudrehen

-- aus: ZSK - Hamburg 2017

Tja... was soll ich sagen, ZSK? Ich glaube, ihr könnt beruhigt sein, sowohl Hamburg als auch der Rest der Bundesrepublik haben die Antifa vorletztes Jahr bestens gehört und gesehen.

Ich wage nur zu bezweifeln, ob das wirklich so sachdienlich war. Nur einmal angenommen, dass es euch mit dem Antifaschismus so ernst ist, wie ihr es euch auf die Fahnen schreibt, dann sollte euch ja eigentlich daran gelegen sein, dass es weniger Neonazis, Rechtsextreme, Rechtsalternative und Identitäre gibt und nicht mehr.

Klar, mehr Neonazis würden natürlich auch mehr potenzielle Ziele zum "Glatzen klatschen" bedeuten...

da muss man schon abwägen...

Aber mal im Ernst: ich glaube ja grundsätzlich an eine ideologische Überlegenheit der Linken über die Rechte. Ich finde Toleranz, Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit sind Themen, die eigentlich gar nicht diskutiert werden müssten, weil ihr inhärenter Wert einem jeden klar sein sollten.

Ist nicht der Fall, weiß ich- leider leben wir in keiner Utopie, sondern in einer Welt gepflastert mit Idioten. Das allerdings hat nicht zu heißen, dass wir uns ebenfalls wie solche benehmen müssen, um uns Gehör zu verschaffen. Unsere Argumente sind die besseren. Und trotzdem wird uns das nicht viel helfen, wenn wir die Leute so abschrecken, dass sie uns nicht mal mehr zuhören wollen.

Um noch einen anderen Abschnitt aus einem ZSK-Song zu zitieren:

"Die ganze Republik schreit auf, wenn hier ein Auto brennt

Ein Brandanschlag aufs Flüchtlingsheim, dann wars ja nur ein Mensch"

--aus: ZSK - Make Racists Afraid Again

Wisst ihr- ihr seid so nah dran. Da steckt eine ganze Menge Wahrheit in diesen zwei Zeilen. Und natürlich habt ihr Recht- wenn der schwarze Block in Hamburg Autos von Bürgern oder Polizei anzündet und Läden plündert, dann ist der Aufschrei groß. Zündet irgendeine Glatze ein Flüchtlingsheim an, dann ist der Aufschrei auch da... aber halt eben nicht ganz so groß.

Ist das empörlich? Jep. Ist das widerwärtig? Jep. Ist das Deutschland? Leider ebenfalls: jep.

Das Traurige ist halt nur: keine Hassparolen gegen Neonazis, keine "Fick die AfD!"-Banner und vor allem keine Sachbeschädigung von Gemeinschafts- oder Privateigentum, sowie Gewaltstraftaten gegen Uniformierte oder Neonazis werden daran irgendetwas ändern. Ihr schadet damit- und das ist meine tiefe Überzeugung- der Bewegung um die Ideale, die ihr behauptet zu vertreten.

Deutschland 2019 ist kein faschistischer Staat

Wird uns der Kapitalismus in den kommenden Jahrzehnten böse in den Arsch beißen? Hat meiner Meinung nach schon angefangen. Kommt große politische Unruhe auf Grund der [Tagesschau-Sprecherton]"...immer weiter klaffenden Schere zwischen Arm und Reich..." auf uns zu? Hat meiner Einschätzung nach ebenfalls bereits begonnen. Müssen wir uns Sorgen um unsere Kinder machen? Tja also, da haben wir unseren Einsatz vielleicht etwas verpennt... das machen die mittlerweile schon selbst.

Aber: hat sich unsere Regierung selbst "gewählt"? Nein, dazu sind wir bisher immer noch selbst dumm genug gewesen. Planen wir demnächst in Polen oder Frankreich einzumarschieren? Nein, sonst hätten wir in diesem Jahrzehnt wohl kaum einem solchen Dreamteam der Inkompetenz die Befehlsgewalt über unsere Streitkräfte überlassen:

Wir feiern 9 Jahre Wehrzersetzung!

Und begehen wir wieder Völkermord? Jein- zumindest nicht mehr als unsere Nachbarn.

Kein Punksong ist laut genug für verschlossene Herzen

Liebe Antifa,

wenn euch eure Nachricht also wichtiger ist, als eure Methoden, dann denkt an euer Publikum. Und so, wie ich es einschätze, seht ihr dieses bisher hauptsächlich in der extremen Rechten. Eure Aufmärsche gelten ihren Aufmärschen, eure Parolen ihrem Irrglauben und eure Taten ihren Repräsentanten.

Aber vertut euch nicht- der Rest Deutschlands schaut dem ganzen Spiel gebannt zu, denn Gewalt erregt immer Aufmerksamkeit. Mal mehr, mal weniger- aber sobald Blut fließt oder Rauch aufsteigt, gafft und echauffiert sich der Deutsche gern. Und da Gewalt in der breiten Gesellschaft- zum Glück(!)- immer noch negativ konnotiert ist, macht ihr damit unsere Position für die Mehrheit der Bevölkerung unattraktiver.

Nicht zu vergessen ist, dass ihr den Pegida-Aktivisten und AfD-Wählern ein Stück Pseudoargumentation mehr liefert, das sie in den Augen des deutschen Michels etwas weniger wie die rassistischen Idioten scheinen lässt, die sie wirklich sind.

Ich kann JEDEM nur einmal wärmstens empfehlen, sich diese sechseinhalb Minuten hier anzusehen. Hintergrund ist der Mord an Walter Lübcke. Was manche Leute so bereit sind, vor laufender Kamera von sich zu geben, lässt einem manchmal echt das Kinn aufs Pflaster aufschlagen.

Das ist gefährlich. Und das sollte auch euch klar sein. Denn ihr werdet mit eurer Überzeugung und vor allem eurem Grad an Engagement immer eine Minderheit bleiben. Das Beste, was ihr im Grunde genommen erreichen könnt, ist ein allgemeines Kippen der deutschen Politik in eine sozialdemokratischere Richtung, weg von diesem entmenschlichenden Neoliberalismus. Gut, nicht dass man sich da auf die SPD als Partei verlassen könnte, aber ich beschreibe ja auch gerade eine Utopie.

Was ich sagen will ist: ihr wollt keinen Staat zum Feind haben, vor allem wenn es der Staat eures Heimatlandes ist. Ihr wollt auch nicht aktiv von diesem Staat als Staatsfeinde verfolgt werden und ihr wollt auch nicht, dass diese Verfolgung von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird. Und aus allertiefstem Herzen hoffe ich, dass ihr auch nicht wollt, was das mit euch machen würde.

Ich will nicht bestreiten, dass Gewalt ein Mittel zur akuten Konfliktbeendigung sein kann. Das gilt meiner Auffassung nach im Kleinen und wird uns im Großen von Nationen vorgelebt. Nur sollte sie immer das aller-ALLER-letzte Mittel sein und wer gern zu ihr greift, ohne zuvor alle anderen Optionen ausgeschöpft zu haben, der muss sich halt eingestehen, dass er einfach ein bisschen gewalttätig ist und sich vor allem gern etwas austoben will.

Solltet ihr euch da jetzt wiedererkennen können: Alles cooool, kein Probleeeem...

Aber dann nur so als kleiner Tipp am Rande: dafür braucht man doch nun wirklich nicht diese ganze lästige Ideologie... für solche wie euch gibt's doch schließlich Fußball ;-)

So. Damit sind dann nun wahrscheinlich auch die letzten erfolgreich angepisst, daher gibt es nun zur Versöhnung ein bisschen Jarvis Cocker.

Küsschen.

Tom schrieb am 2021-01-08 um 21:30:10: 14

Das Problem sehe ich hier in einem überholten Bild des politischen Spektrums. Antifa wird gemeinhin als Links betrachtet. Dabei steht Antifa für die Antifaschistische Aktion und nicht für Die Linke. Viele Menschen, die gegen Rechtsextremismus stehen, sehen sich selber aber nicht im linken Spektrum. Auch der NationalSOZIALISMUS trägt teilweise "linkes" Gedankengut in der "rechten" Bewegung mit. Wäre die AFD eine Kleinstpartei könnten manche sicherlich den Slogan F*CKAFD mittragen, aber bei den Zahlen, die diese Partei zusammenbringt, erwischt dieser Slogan auch einen großteil der falschen Personen. Es ist an der Zeit, die Oberflächlichkeiten und das Schubladendenken abzulegen und mal genauer auf die Ursachen der Spaltung der Gesellschaft zu schauen. Wenn die Schublade AFD immer nur zugeknallt wird, gärt es in dieser Schublade immer mehr und die Spaltung nimmt zu. Viele AFD-Wähler sind angekotzt von den gebrochenen Wahlversprechen der anderen Parteien. Angekotzt vom ganzen Lobbyismus, von den ganzen Lügen, verschwendeten Steuergeldern, etc... Die hoffen halt, dass sich IRGENDWAS ändert. Dass die AFD mit ihren Leutchen genau das gleiche Spiel spielt und die Probleme eigentlich eine ganz andere Ursache haben, ist den meisten nicht klar und da hilft nur der Dialog und die Aufklärung. Zur Zeit sind die Grünen beispielsweise wieder stark im kommen. Aber auch diese Partei ist an ihrer Spitze sehr weit vom Normalbürger entfernt und ist selbst mit so manchem Pöstchen abhängig. Das werden die Leute dann merken, wenn diese Partei macht bekommt. Das Spiel geht dann wieder von vorne los. Und hier sei die Frage angebracht: Sind Wahlen in einem Parteiensystem mit Fraktionszwang alle 4 Jahre wirklich das allerbeste Mittel einen Staat zu führen? Sollte das Brechen eines Wahlversprechens vielleicht als Hochverrat bestraft werden? Kann man Lobbyismus und Spenden verbieten? Sollte man im Bundestag anonym abstimmen, damit die Abgeordneten wirklich nur ihrem eigenen Gewissen gegenüber abstimmen und nicht dem Fraktionszwang? Fragen über Fragen. Aber da werden sich Politiker bestimmt schon ihre Gedanken gemacht haben und alles ist in Butter ;-)

Schreib einen Kommentar:
Name (optional):
E-Mail (optional):
Kommentar (Pflicht):
Ich stimme zu.